Fußball News vom: 02.07.2016 - 13:54
Frankreich – Island EM 2016 Tipp, Wetten & Quoten
Mit dem Duell gegen Island (Sonntag, 21:00 Uhr) scheint die Equipe Tricolore im Viertelfinale den Hauptgewinn gezogen zu haben: Allerdings mangelt es nicht an ernsthaften Warnungen, dass gerade gegen die kleinen Wikinger ein böses Erwachen nicht ausgeschlossen werden kann.
Nachdem Island im Achtelfinale reichlich sensationell die Three Lions bezwang, ist den Franzosen das Herz am Freitag noch etwas tiefer in die Hose gerutscht: Gegen das hochfavorisierte Belgien stellte Wales auch die prinzipielle Halbfinal-Tauglichkeit der auftrumpfenden EM-Neulinge unter Beweis.
Da der bereits in der Qualifikation angezettelte Zwergenaufstand nun noch nicht einmal in der K.o.-Runde ein Ende nimmt, droht die übliche Rollenverteilung auch am Sonntag außer Kraft gesetzt zu werden – zunehmend setzt sich in der Grande Nation die Erkenntnis durch, einem gefährlichen Drahtseilakt entgegenzusehen.
Richtigerweise muss es aber vielmehr heißen, dass vor allem die Experten ein unangenehmes Gefühl beschleicht; so wird nicht zuletzt vom Fachblatt „France Football“ vor einer unangemessen optimistischen Herangehensweise an das Viertelfinale gewarnt:
„Schreit nicht zu schnell Sieg! Gegen Island im Viertelfinale zu spielen, wird kein Spaß für die französische Mannschaft. Alles andere!“
Die Rufer in der Wüste machen ein Mordsgeschrei
Geradezu ängstliche Töne ließ vor wenigen Tagen sogar Ex-Weltmeister Christophe Dugarry in „La Parisien“ vernehmen, der sich vor allem ob der Laissez-faire-Haltung seiner Nachfolger sorgt: „Es gibt nichts Schlimmeres! Das ist mit Blick auf die Motivation und die Vorbereitung schrecklich.“
Dass der 55-fache Nationalspieler mit dieser Einschätzung möglicherweise verdammt richtig liegt, lassen die Äußerungen einiger französischer Spieler erahnen, für die sich ein Scheitern gegen Island offenkundig noch immer außerhalb des eigenen Vorstellungsvermögens befindet.
„Wir unterschätzen Island nicht, sie sind bislang eines der besten Teams“, versichert Bacary Sagna zwar treuherzig, die anstehende Aufgabe ernst zu nehmen; diese Ankündigung wird jedoch schon mit den nächsten Sätzen lediglich als eine leere Worthülse entlarvt:
„Ein Viertelfinale ist ein Viertelfinale, ob bei einer EM oder bei einer WM. Es bleibt eine Etappe für einen Fußballer. Ein Aus im Viertelfinale wäre ein Scheitern, im Halbfinale auch. Wir haben das Zeug, um bis zum Schluss dabei zu sein. Ich denke nicht an eine Niederlage.“
Anstatt sich eingehender mit den Stärken der widerspenstigen Isländer zu beschäftigen, lässt der 33-Jährige den Blick längst in die Ferne schweifen – selbst das im Erfolgsfall noch zu absolvierende Halbfinale wird von Sagna übermütig übersprungen.
Ähnliche Tendenzen sind auch bei Patrice Evra zu erkennen: Zwar ahnt auch dieser gegen den Underdog pflichtbewusst einen schweren Gang voraus; am Sprung in die nächste Runde hat der Verteidiger dennoch keinerlei Zweifel: „Ich habe keine Lust, wieder im Viertelfinale auszuscheiden.“
Das Viertelfinale ist die Achillesferse der Franzosen
Nachdem zuletzt die DFB-Elf dem Nachbarn bei der WM in Brasilien den Aufstieg in die Vorschlussrunde verwehrte, lässt sich der Erfolgshunger bei der Heim-EM natürlich nachvollziehen – zumal die Franzosen vor zwei Jahren beileibe nicht zum ersten Mal in einem Viertelfinale ins Stolpern kamen.
„England hat Island nicht respektiert. Wir werden sie sicher nicht unterschätzen.“
– Patrice Evra glaubt, aus den Fehlern der Three Lions gelernt zu haben: Eine steile These, die nun aber erst einmal bewiesen werden will.
Gerade von den sogenannten Kleinen ließ sich die Equipe Tricolore schon mehrfach böse überraschen: So musste sich der damalige Titelverteidiger bei der EM 2004 in der Runde der besten Acht dem späteren Sensations-Europameister aus Griechenland geschlagen geben.
Video: 5 interessante Fakten vor dem Viertelfinale zwischen Frankreich und Island. (Quelle: YouTube/SPOX)
Auch bei der EM 1992 machten sich „Les Bleus“ mit der Niederlage gegen Dänemark ungewollt um den späteren EM-Triumph eines Außenseiters verdient – sollte sich die Geschichte bisweilen wiederholen, dürfte somit nun auch den Isländern in den kommenden Tagen so gut wie alles zuzutrauen sein.
Um dieses Horror-Szenario zu vermeiden, haben sich die Franzosen vor allem einen schwungvollen Auftakt für Sonntagabend vorgenommen. Im bisherigen Turnierverlauf ist den Gastgebern schließlich noch kein einziger Treffer in den ersten 45 Minuten geglückt.
Endlich hellwach?
Nachdem sich das Team von Didier Deschamps gegen Rumänien, Albanien und Irland ausschließlich mit späten oder gar ganz späten Treffer über Wasser hielt, möchte Antoine Griezmann nun insbesondere auch dem eigenen Anhang ein weiteres Nervenspiel ersparen:
„Wir müssen uns verbessern am Anfang der Spiele, ansonsten ist das nicht gut fürs Herz der Franzosen. Wir haben ein Team, das bis zum Schluss dabei sein kann, aber wir müssen das auch auf dem Platz zeigen.“
Antoine Griezmann werden zu Recht die Schuhe geküsst – mit seinen bislang bei der EM erzeitlen drei Treffern ist er die Schlüsselfigur bei den Franzosen. (Photocredit: JEAN-PHILIPPE KSIAZEK / AFP / picturedesk.com)
Beim Auftritt im Nationalstadion zu Saint-Denis gilt es allerdings, gleich das Fehlen von zwei Stammkräften zu kompensieren; beim Kraftakt gegen die „Boys in Green“ handelten sich Adil Rami und N’Golo Kanté jeweils ihre zweite Gelbe Karte ein.
Insbesondere die Sperre von Innenverteidiger Rami droht sich als eine erhebliche Schwächung zu erweisen: Erstmals bei der EM-Endrunde macht sich ein Umbau der schon zuvor nicht immer sattelfest wirkenden Viererkette erforderlich.
Somit dürfen die Isländer guten Mutes sein, dass sich gelegentliche Ausflüge in die gegnerische Hälfte auch am Sonntagabend lohnen; im Gegensatz zur Equipe Tricolore hat der EM-Debütant bisher bei allen seinen vier Vorstellungen in Frankreich mindestens ein Tor erzielt.
Dank der eingebauten Torgarantie kämpften sich die Nordeuropäer sogar schon zwei Mal aus einer vermeintlich aussichtslosen Lage in ein Spiel zurück: Weder gegen Portugal noch gegen England ließ sich die Mannschaft von einem frühen Führungstor erschrecken.
„Ob die Spieler nun nach diesem Spiel nach Hause kommen oder erst später, sie werden einen Empfang erleben, der Helden würdig ist.“
– Selbst der designierte isländische Staatspräsident Gudni Johannesson macht sich am Sonntag mit seinen Landsleuten in der Fankurve gemein – hinter den Kulissen haben offenbar jedoch bereits die Planungen für den triumphalen Empfang der neuen Volkshelden begonnen.
Lockerheit als schärfste Waffe
Schreckhaft wollen sich die Kämpfer nun natürlich auch nicht in der Höhle des Löwen präsentieren: Die Anreise wird schließlich von dem beruhigenden Gefühl begleitet, dass man sämtliche Erwartungen ohnehin längst deutlich übertroffen hat.
Die letzten 5 Duelle zwischen Frankreich und Island: | |||||||||||||
Datum | Bewerb | Teams | Ergebnis | ||||||||||
27.05.2012 | Testspiel | Frankreich – Island | 3:2 | ||||||||||
09.10.1999 | EM-Qualifikation | Frankreich – Island | 3:2 | ||||||||||
05.09.1998 | EM-Qualifikation | Island – Frankreich | 1:1 | ||||||||||
20.11.1991 | EM-Qualifikation | Frankreich – Island | 3:1 | ||||||||||
05.09.1990 | EM-Qualifikation | Island – Frankreich | 1:2 | ||||||||||
Dass sich somit nur die eigene Mannschaft einen unbefangenen Auftritt leisten darf, scheint fast schon das Mitleid von Heimir Hallgrímsson zu wecken, der augenscheinlich froh ist, nicht in der Haut des Gegners zu stecken: „Frankreich kann nur verlieren, das wäre grausam für die ganze französische Nation.“
Natürlich unterlässt es der Trainer dennoch nicht, die Equipe noch einmal auf ihre haushohe Favoritenstellung hinzuweisen – sogar, wenn sich die Isländer in diesen Tagen klein zu machen versuchen, liegt bemerkenswerterweise aber noch immer der Duft von grenzenloser Zuversicht in der Luft:
„Wenn du solche individuellen Qualitäten wie Frankreich hast, solltest du Island schlagen. Aber das ist das Schöne im Fußball: Es kann sich immer der Außenseiter durchsetzen.“
Für Birkir Bjarnason scheint es dagegen nur zweitrangig zu sein, mit welchem Resultat das Viertelfinale zu Ende geht. Ebenso wie seine Kollegen ist auch der Mittelfeldspieler bereits am Ziel seiner Träume angelangt: „Für uns ist es das größte Spiel unserer Geschichte. Auf Frankreich in Frankreich zu treffen, ist fantastisch.“